Samstag, 23. Mai 2009

Rückflug vor dem ersten bestätigten Fall von Schweinegrippe in Paraguay



Abfertigungsschalter am Flughafen Asuncion



Pierre Galipons Jumbo nach dreijähriger Warteposition
am Flughafen von Ciudad del Este


Pierre, Thomas und Horst beim Kaltgetränk
in einer Asuncioner Kneipe

Eine spannende Vergangenheit

Pierre Galipon begleitete Teresa bei unserem Streifzug durch das Asuncioner Nachtleben. Der Franzose stellte sich als Chef der Helikopterfirma Heliamerica vor, die in Bolivien und Peru unter anderem seismologische Bodenuntersuchungen auf der Suche nach Erdöl und Bodenschätzen realisiert. Pierre berichtete auch, dass er bei einem seiner Hubschrauber-Expeditionen von den Guerillas der kolumbianischen Freiheitsbewegung FARC abgefangen wurde und zusammen mit zwei Pilotenkollegen über 100 Tage deren Gefangener blieb - ein Fall, der durch die südamerikanische Presse ging. Später erfuhren wir, dass Pierre auch durch einen anderen Fall in Paraguay bekannt ist. Sein Jumbo steht seit gut drei Jahren in Parkposition auf dem Flughaben von Ciudad del Este. Nach seinen Angaben hat er das Großraumfrachtflugzeug von einer insolventen Firma in den USA gekauft und nach Paraguay gebracht, um es hier kostengünstig umspritzen zu lassen. Kaum war Galipon in Ciudad del Este gelandet, wurde er auch schon wegen des Verdachts von Drogenhandel und Geldwäsche verhaftet. Nach wenigen Tagen kam er frei - aber der riesige Flieger steht immer noch auf dem Flughafen der Grenzstadt. Als wir auf unserem Rückkehrflug in Ciudad del Este zwischenlandeten, drehte unser Flugzeug genau so bei, wie wir es uns wünschten, um Pierres Jumbo fotografieren zu können.
Schade, in Deutschland lernt man selten so interessante Menschen kennen.

Im Zeichen des Fußballs: Ballkünstler mit Skalpell



Dr. Osvaldo Pangrazio in seiner Klinik



Ohne Worte


Ein guter Bekannter Beckenbauers

Dr. Osvaldo Pangrazio, Traumatologe und Chefarzt der paraguayischen Selección, empfing uns zum Gespräch in seiner Klinik. Er trug einen Arztkittel des Bochumer Bergmannsheils, nicht ahnend, dass Thomas Bochumer ist und ich im Nachbarort wohne.
Pangrazio spielte in Paraguay unter anderem für Olimpia und Cerro Porteno und studierte gleichzeitig Medizin. Am Ende seiner Fußballerkarriere kam er in Asuncion mit einer deutschen Fußball-Delegation ins Gespräch, der auch der Präsident von SG Wattenscheid 09, der Unternehmer Klaus Steilmann, angehörte. Steilmann überredete ihn, sich in Deutschland in seinem Beruf als Mediziner zu spezialisieren. In Wattenscheid angekommen, absolvierte Pangrazio ein Probetraining für die SGW 09, aber er tauschte dann endgültig den Ball durch das Skalpell ein. In dieser Zeit kreuzten sich auch unsere Wege. Zusammen mit einem paraguayischen Freund lud ich Osvaldo zum Abendessen ein, woran der sich leider nicht mehr erinnern kann. Der angehende Traumatologe trat dann nur noch hobbymäßig gegen den Ball, unter anderem in Weitmar.
Zurück in Paraguay, wurde er zuerst Vereinsarzt bei Olimpia und dann bei der Nationalmannschaft. Aus Deutschland brachte der Paraguayer nicht nur seine Frau mit, sondern auch gute Beziehungen zu deutschen Fußballgrößen. "Ich habe den Transfer von Roque Santa Cruz nach Bayern München eingefädelt", gesteht er. Zu den Bayern hat er immer noch gute Kontakte, davon zeugen zahlreiche Fotos in seinem Sprechzimmer. Als Franz Beckenbauer den Südamerikanischen Fußballbund in Asuncion besuchte, begleitete er ihn als Übersetzer.

Im Zeichen des Fußballs: Training von Olimpia Asuncion



Das Trainingsgelände



Der graumelierte Maestro: der Trainer aus Uruguay



Die Kollegen von der Presse



Warten auf Infos vom Mannschaftsarzt



Lockere Dehnübungen



Der kommende Star Paraguays?
Rodrigo Rojas, 21


Was machen die Deutschen beim Trainingscamp?

Olimpia ist Paraguays bekanntester Fußballclub. Der Verein mit dem schwarzen Querstreifen, der sein Domizil an Asuncions Mariscal-Lopez-Avenue hat, gewann 38mal die nationale Meisterschaft, dreimal die Copa Lopertadores (Südamerika-Cup) und einmal den Weltcup. Klar, dass wir ein Spiel (gegen Libertad, siehe weiter unten) und ein Training live erleben wollten. Die sechs Kamera-Teams und die zahlreichen Radio-Reporter fragten sich natürlich, aus welchem Grunde zwei deutsche Journalisten auf dem Trainingsgelände waren. Als wir - mit der Hilfe eines Journalisten-Kollegen - auch noch den Youngster abfingen, fotografierten und befragten, stand für die Pressemeute fest: Da zeigt wohl ein Bundesliga-Verein Interesse für den jugendlichen Mittelfeldspieler.
Rodrigo Rojas ist erst 21 Jahre alt und macht mit immer besseren Leistungen von sich reden. Das Eigengewächs von Olimpia sagte uns in einem Gespräch, dass er zuerst die Copa mit seinem Verein gewinnen will, dann die Berufung in die "Selección" anstrebt und natürlich von einer Auslandskarriere träumt - am liebsten in England. Den Namen sollte man sich auf jeden Fall merken.

Im Zeichen des Fußballs: Im Taxi des Ex-Profis



Tiganá Rolón vor seinem Taxi



Rolón war Profi, verdiente aber so gut wie kein Geld


Der paraguayische Tigana

Als der Taxifahrer uns ins Fußballmuseum brachte, stellte er sich als José vor und hinterließ uns seine Rufnummer für die Rückfahrt. Unweigerlich kamen wir auf Fußball zu sprechen und José verriet uns, dass er in den 90ern Profi der paraguayischen Primera División war und mit seinem Club Guaraní auch ein Campeonato gewann. Mit vergilbten Zeitungsartikeln belegte er seine Fußballkarriere. José war und ist im Land unter dem Namen "Tiganá" Rolón bekannt, weil er eine gewisse Ähnlichkeit mit dem damaligen französischen Mittelfeldspieler Jean Tigana aufweist. "Geld habe ich in Paraguay kaum verdient", lässt er seine Futbol-Vergangenheit Revue passieren, "erst später in Mittelamerika kassierte ich im Monat 2.000 Dollar." Große Summen hat er also nicht angespart, weshalb er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie mit Taxifahren verdient. Dem Fußball ist er natürlich treu geblieben - als Jugendtrainer des Zweitliga-Vereins Silvio Pettirossi. Wie aus sportbegeisterten Kindern gute Fußballer werden, darüber haben wir mit ihm trefflich schwadroniert.

Im Zeichen des Fußballs: Museo del Futbol Sudamericano



Teure und moderne Architektur etwas außerhalb von Asuncion



Multimediales Fußballspektakel



Alle bedeutenden Pokale des südamerikanischen Fußballs


Wo Südamerika erste Welt ist

Speziell für uns ließ Nicolas Leoz, Präsident des Südamerikanischen Fußballbundes (CSF), das Südamerikanische Fußballmuseum aufschließen. Das ultramoderne Gebäude, etwa einen Kilometer vom Asuncioner Flughafen entfernt und gegenüber dem Hauptsitz der CSF gelegen, wurde zwar schon im Januar eingeweiht. Aber wegen fälliger Nachbesserungen und einiger Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedsländern wird es erst in einigen Monaten für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Die multimediale Ausstellung präsentiert auf Schautafeln und Videodisplays die Geschichte der Vereins- und der Ländermeisterschaften sowie die Fußballhistorie jedes Mitgliedlandes. Auch die großen lateinamerikanischen Stars von Arthur Friedenreich über Di Stefano, Pelé und Maradona kommen nicht zu kurz. Gezeigt wird auch der älteste Länderpokal, die "Copa America", um die 1916 zum ersten Mal gespielt wurde - über 40 Jahre bevor Europa eine entsprechende Meisterschaft ins Leben rief. Wie sagte ein südamerikanischer Futbol-Dirigent so schön: "Im Fußball ist Südamerika erste Welt." Das Museum soll 50 Millionen Dollar gekostet haben.

Freitag, 22. Mai 2009

Mit sauberen Schuhen in die nie bezogene Wohnstätte von Strössners Sprössling



Schuhputzer Ricardo aus der Villa miseria "Chacarita": "Bezahlung ? - ... die Summe überlass ich dir!"



Die niemals bezogene Villa des drogenabhängigen Sohns
von Alfredo Strössner



Ansicht II



Ansicht III



Kunsthandwerk von Martin



Martin aus Buenos Aires. Reist durch Südamerika
und verkauft selbst hergestellten Schmuck



Die Menno-Kirche La Roca



Tereré-Verleih im Park in der Innenstadt



Die etwas andere Jugend von Asuncion: "Cumbia, Reggaeton?
Wir stehen eher auf echte Gitarren, die Ramones und Ironmaiden."




Joey Ramone hätte ihn glatt adoptiert




Meistens vor Apotheken und Banken anzutreffen.
Hier ein Sicherheitsbeamter mit eher dezenter Bewaffnung



Axel - hier endlich mal eine Version in Zitronengelb.



Am Ufer des Ypacaraì in San Bernardino



Churrasqueria - Fleisch bis zum Abwinken


Ricardo putzt Schuhe, dass es quietscht

Geschäftliche Cleverness und die Verletzlichkeit einer geschundenen Kinderseele spiegeln sich im Gesicht von Ricardo, 12, wieder. Angeblich erst seit einem Jahr ist er als Schuhputzer auf den Plazas rund um den Pantheon tätig. Gelernt hat er sein Handwerk von einem "Mita-í", also von einem Kind, das nicht älter ist als er. Gewandt wirbelt Ricardo die Schuhbürste durch die Luft und wischt mit einem Spezialtuch so gründlich nach, dass das Textil auf dem Leder einen pfeifenden Ton produziert: "Der Glanz quietscht", sagt er. Was er gerne spielt, fragen wir ihn. "Spielen?", antwortet er, "dass habe ich früher mal als kleines Kind gemacht. Heute habe ich dazu keine Zeit." Die Hälfte seiner Tageseinnahmen gibt er bei seiner Mutter ab, die "da hinten" wohnt - und er deutet mit einer traurigen Kopfbewegung an, dass sein Heim unten am Fluss im Elendsviertel "Chacarita" liegt. Doch schnell legt er wieder sein Lächeln auf und zeigt uns das Geheimfach in seinem Schuhputzerkasten: "Dort verstecke ich meine Einnahmen." Die Schuhe sind nun blitzsauber. Was er für seinen Service haben will? "Das überlasse ich dir", sagt er und lässt sich nicht aus der Reserve locken, wohl wissend, dass der "Alemán" einen Batzen springen lassen wird, der den ortsüblichen Tarif um ein paar Tausend Guaranies übersteigt. "Hat Paraguay mal gegen Deutschland gespielt?" will er zum Schluss wissen. Ja, lautet unsere Antwort. "Und wer hat gewonnen?" "Leider Deutschland. Aber Paraguay hat besser gespielt", trösten wir ihn.


Spuren der Diktatur

Mit einem Klimmzug zieht Thomas sich hoch und überwindet die zwei Meter hohe Mauer, die das weitläufige Grundstück umsäumt. Vorsichtig schleicht er sich durch das Gestrüpp bis zur gigantischen Villa, die Spuren des Verfalls aufweist. Von unserem Informanten Reinhold erfahren wir, dass hier der Stroessner-Sohn Freddy hat bauen lassen. Doch der Diktator-Sprössling starb an übermäßigem Drogenkonsum, noch bevor er sein Anwesen beziehen konnte. Die Hinterlassenschaften des autoritären Regimes sind auch 20 Jahre nach dem Sturz überall sichtbar. Oft handelt es sich um unrechtmäßig erworbene Immobilien, die jetzt leer stehen, weil der Staat ungerne enteignet. Aber ein Raum ist immer bewohnt - der des Guardians, des Wächters, der das Grundstück bewacht - von wem auch immer angestellt. Eindringling Thomas hat Glück, dass er nicht in den Lauf einer Schrotflinte blicken muss. Der Wachmann hat das ihm angetraute Domizil vorübergehend verlassen.
Vis a vis erstreckt sich übrigens eine andere prunkvolle Villa, diesmal bewohnt: Eigentümer ist Wolfgang Weber, Ex-Chef der Südmilch, der wegen Untreue angeklagt und in Paraguay untergetaucht war.


SanBer - wenn Asunción baden geht

Der Lago Ypacaraí ist Paraguays größtes Binnengewässer. Im Sommer amüsiert sich tout Asunción am See in San Bernardino. Wer in der heißen Jahreszeit nicht in "SanBer" aufschlägt, dem ist nicht zu helfen. Aber jetzt im Herbst ist der Ort, der im 19. Jahrhundert von Deutschen gegründet wurde, wie ausgestorben. Sonnenuntergänge lassen sich aber auf diese Weise viel besser genießen - allein oder zu zweit. Das Ypacaraí-Lied ist übrigens der in Südamerika bekannteste Musiktitel aus Paraguay. Das Stückbeginnt mit dem Satz: "In einer lauen Nacht trafen wir uns am blauen Wasser des Ypacaraí". Blau ist das Wasser nachts eigentlich nicht - möglicherweise war es der Dichter, als er den Text verfasste. Doch an dem Widerspruch hat sich bisher niemand gestört. Schade nur, dass Julio Iglesias die "Canción" vor einiger Zeit in sein Repertoire aufnahm - seitdem will das Lied niemand mehr hören.


Marihuana - legalize it!

Jeden Nachmittag nach Arbeitsschluss treffen sich Carlos Gutierrez und seine Freunde - am besten auszumachen an ihren schwarzen T-Shirts und Jeans - am Denkmal an der Plaza de la Libertad. Sie bilden eine "tribu urbana", einen "städtischen Stamm", besser zu übersetzen mit Clan oder Clique. Heiß diskutierten sie mit uns und untereinander über Paraguay, die Demokratie und die Legalisierung von Marihuana. Die Meinungen gingen weit auseinander. Einig waren sie sich in zwei Dingen: der Liebe zum Rock (Iron Maiden, Ramones) und der Ablehnung der Cumbia- und Reggaeton-Musik: "Cumbia ist Scheiße. Sie will nur unterhalten und kennt keine Message. Rock hingegen hat eine Aussage - und das gefällt uns."
Was die Jungs und Mädchen besonders sympathisch machte: Zwischendurch kam ein älterer, zahnloser Mann dazu und mischte sich in die Diskusion ein. Sie ließen den "viejo" in Ruhe ausreden und kamen keine Sekunde lang auf die Idee, hämisch über den Alten zu lachen.


Fleisch auf brasilianisch

Zum Abschied lud uns Reinhold zum Brasilianer ein. Das "Paulista" ist eine Churrasquería, die nach dem Prinzip "All you can eat" funktioniert. Rund 20 Kellner rannten mit ihren Fleischspießen durch die Gegend und schnitten geschickt mit ihrem Messer ein Stückchen ab. Auf jedem Spieß wurde eine andere Fleischsorte serviert. Danach stellten wir eine gewisse Fleischmüdigkeit fest.

Montag, 18. Mai 2009

Asuncion bei Licht besehen



Kitschig illuminiert: Der alte Kongress



Hinter dem Kongresses: Hier Beginnt das beruechtigte
"Barrio Chino"- Crack, Waffen und Korruption



Das Gebaeude der abc color



Alfredo Cantero, Ressortchef Politik



Teil der Grossraum-Redaktion.
Hier arbeiten ca. 100 Redakteure

Asuncion wirkt bei Nacht besonders an jener schmalen Linie frappierend, an der man die politischen Institutionen kitschig beleuchtet im Ruecken hat und sich vor einem int in der "Bahia" des Paraguayflusses das "Barrio Chino" ausbreitet. Dort entfleuchen die Jugendlichen der Realitaet, indem sie Schuhkleber aus der Plastiktuete schnueffeln.

Die Realitaet im Auge behalten hat immer "abc color", Tageszeitung mit Kultcharakter in Paraguay und ganz Suedamerika, die seit schon 1968 (!) in Farbe erscheint, von Stroessner wegen kritischer Berichterstattung geschlossen wurde und nur einen (!) Tag nach dem Sturz des Regimes wieder erschien. Leitartikler Alfredo Cantero empfimg uns in der "Sala de Prensa" der Redaktion zu einem Gespraech und zeigte uns die Redaktion.

Samstag, 16. Mai 2009

Nur zehn Prozent Wasser



Eingangsbereich zum Nationalpark Iguaçu



Wenig Wasser- aber dennoch ueberwaeltigend



Fast schon Wappenvogel-der Tukan
Hier eine brasilianische Variante

Um von Ciudad del Este zu den Iguazu-Wasserfaellen, sie zaehlen zu den groessten der Welt, zu gelangen, muessen wir den einstuendigen Stau an der Grenze ueberwinden und etwa 45 Minuten durch die brasilianische Stadt Foz do Iguacu und Suburb reisen. Die "Cataratas" bestehen aus 287 Einzelfaellen. Man hatte uns schon gewarnt: Wegen der Trockenheit fliesst nur noch etwa zehn Prozent der sonst ueblichen Wassermenge durch. Und: Seht zu, dass Ihr frueh da seid, sonst ist das Wasser alle.

Obwohl die Kulisse immer noch imponierend ist - so habe ich Iguazu noch nie gesehen: der eine oder andere Fall wirkt wie ein Rinnsal. Dafuer ist der "Teufelsrachen", der groesste Fall, immer noch spektakulaer, und hier kracht auch immer noch sehr viel Wasser herunter. Mit dem Wetter haben wir groesstes Glueck: Ueber uns spannt sich ein herrlich blauer Himmel, schoen garniert mit Schaefchenwolken.

Ein Moloch - Ciudad del Este



Reklame-Reklame



Recherche nach Replica-Uhren aus China



Das Kaufhaus "Mona Lisa" hinten in blau



Zwischendurch werden auf
engstem Raum Handys repariert



Motorradkuriere warten auf Auftraege um die Grenze
nach Brasilien zu passieren



Typische Strasse



Sind wir hier in Linz oder Salzburg ? - No- Ciudad del Este

Ciudad del Este ist eine unglaubliche Grenzstadtadt. Von Geschichtenschreibern wurde sie auch schon mal die Welt-Schmugglerhauptstadt genannt. Da wir mit einem Bus anreisen, der in jedem Kuhdorf haelt, kommen wir erst nach Sonnenuntergang an und checken im "Austria" ein. Bei stroemendem Regen wollen wir uns schnell mal die Innenstadt ansehen. Jeder, den wir nach dem "Centro" fragen, starrt uns entsetzt an und sagt: "Centro - was wollt Ihr da? Da ist alles zu. Um Eure Sicherheit ist es da nicht gut bestellt."

Ciudad del Este hiess bis zum Sturz des Diktators 1989 "Puerto Stroessner". Brasilianer und andere Nationen kommen in die Stadt, die im Drei-Grenzen-Gebiet liegt (Argentinien, Brasilien, Paraguay), um billig einzukaufen - Parfum, HiFi, Multimedia, bunte Decken, einfach alles. Alles kommt gedoppelt daher: als Original und als Replik. An monstroesen Hochhaeusern, von deren Fassade die Farbe abblaettern, reizen gigantische Werbeplakate den Konsumnerv. Gleich daneben preisen Strassenhaendler in schaebigen Buden ihre Billigware an. High-Tec, chromglitzernde Auslagen und schicke Maedchen auf der einen Seite und gleich daneben Kartons, Papierfetzen, tote Hunde, zerquetschtes Gemuese, kurz, der modernde Abfall der Konsumgesellschaft.

Im eleganten China-House kommt die Frage nach der Replik einer Tag/Heuer-Uhr, Modell Monaco nicht gut an: Das kuenstliche Laecheln einer Verkaueferin gefriert ein, wir sind fuer sie nur noch Luft. Viel zu viele Verkaeuferinnen stehen vor viel zu viel glitzernden Auslagen. Je hoeher die Etage, desto kuerzer die Roecke, so scheint uns. Als wir aus dem "China" herauskommen, bedraengen uns die Strassenhaendler: Rasierapparat, Musik-CDs, Adidas-Socken? Und als wir uns immer noch nicht interessiert zeigen, kommen sie mit ihrem letzten Angebot: Viagra?

Das andere grosse Einkaufshaus, das "Mona Lisa", ist heute wegen des Nationalfeiertags zu. Es gehoert einem steinreichen Araber. Araber sind hier neben Koreanern die zweitgroesste Minderheit. Lauf CIA betreibt Al Quaida hier ein Filiale.

Strassenverkaeufer Manuel * kann weiterhelfen. Die Tag/Heuer liegt allerdings nicht in der Auslage. Hinten, irgendwo versteckt, greift er in einen zerschlissenen Karton und zaubert eine Replik des schweizerischen Meisterherstellers hervor. Von den meisten Uhren gibt es drei Varianten: das schlechte Falsifikat fuer zehn Dollar, das gute Falsifikat fuer 100 bis 15o Dollar - und das Original fuer etwa 5000 Dollar. Als die Kunden an der praesentierten Variante rummaekeln, oeffnet der Verkaeufer ein Alu-Kofferchen - nimmt eine Lage heraus, dann die zweite und wird schliesslich in der dritten Ebene fuendig. Mit Recht kann Manuel behaupten: Irgendwo habe ich alles. (*Name von der Redaktion geaendert).

Als die Sonne sich am spaeten Nachmittag in einen glutroten Ball verwandelt - der Regen ist vorbei -, packen die Haendler schnell ihre Siebensachen zusammen. Innerhalb kuerzester Zeit sind die Strassen beinahe verwaist. Nur einzelne Gruppen von Halbwuechsigen luemmeln sich in duesteren Ecken. Jetzt heisst es, schnell ins "Austria" zu kommen. Im Hotel, gefuehrt von der aus Oesterreich stammenden Renate, gibt es einen "Chopp", wie hier das Gezapfte genannt wird, in einem Porzelannmass. Und ueber uns breiten sich schuetzend die riesigen Aeste eines Hirschgeweihs aus.

Heiss und kalt



Regen



Der Autor sinniert waehrend einer Schauerpause



Mehr Regen

Die gefuehlte Temperatur ist relativ. Bei "herbstlichen" Wetter sind wir hier schon maechtig ins Schwitzen gekommen. Fuer die Paraguayos hingegen ist der Sommer definitiv vorbei. 28 bis 36 Grad - viel zu kalt, um in den Pool zu steigen, sagen sie. Und wenn sie trotzdem mal ins kuehlende Nass tauchen, klettern sie schnell wieder heraus - mit Gaensehaut an Brust, Ruecken und Beinen. Aus diesem Grund sind die meisten Schwimmbaeder zu. Baden kommt erst wieder im Dezember in Frage.

Nach ausgiebigen Regen in Ciudad del Este fallen die Temperaturen am Morgen unter die Zehn-Grad-Marke, obwohl sie - bei strahlendem Sonnenschein - im Verlaufe des Tages wieder auf 20 Grad klettern. Erst jetzt akzeptiert Thomas die Tatsache, dass es hier empfindlich kalt werden kann. Und - was thermophysikalisch unglaublich erscheint: Sieben Grad in Asuncion fuehlen sich kaelter an als sieben Grad in Herne - unter anderem auch, weil die Raeume nicht beheizt sind.

Dienstag, 12. Mai 2009

Estanciero und Rallyefahrer



Daniel Ostertag prangert die
zunehmenden Rodungen des Chaco-Busches an



Ende der 70er Jahre: der Toyota des
Rallyefahrers Ostertag

Unseren Interviewtermin mit Señor Ostertag konnten wir mit leichter Verspaetung antreten.
Grund fuer die Verzoegerung: Sowohl wir als auch der engagierte Taxifahrer hatten Probleme, die Hausnummer ausfindig zu machen. Mal scheint eine Logik hinter der Nummerierung, mal schiere Willkuer, und manchmal gibt es einfach keine Hausnummern.

Horsts Interview mit besagtem Herrn Ostertag, gebuertiger Argentinier mit deutschen Vorfahren, verlief sehr ergiebig. Abgesehen von diversen, den Interviewfluss stoerenden, aber unabdingbaren Geschaeftsanrufen ueber drei verschieden Handys plus Festnetzanschluss.
Waehrend die Herren ueber die Landverteilung im Chaco fachsimpelten, und mit den Hektarzahlen nur so um sich warfen, blieben den geschulten Augen des Fotografen wenige, aber eindeutige Indizien in Sachen Motorsportaffinitaet eines Viehzuechters nicht verborgen.
Gesagt-getan-Schublade aufgemacht. Und Sekunden spaeter war der Schreibtisch des Patron mit angefressenen Schwarzweiss-Barytbildern und ausgeblichenen Farbaufnahmen ueber seine zweite Leidenschaft, dem Rallyesport, uebersaet.
Hier handelte es sich um eindeutige Belege der Trans-Chaco-Rallye-Teilnahme vor etwa 30 Jahren. Unter anderem fuhr Daniel Ostertag gegen den spaeteren Praesidenten Argentiniens, Saul Menem.